Von der NATO-Schule zum heutigen Lycée
Das Lycée International ist keine altehrwürdige Schule. Dennoch können seine Besonderheiten und sein aktueller Status sehr gut durch seine Entstehung und seine Geschichte erklärt werden.
Die SHAPE-Schule 1951 – 1965
Als „SHAPE“ (Supreme Headquarters of the Allied Powers in Europe), die militärische Organisation der NATO, 1951 eingerichtet wurde, hatten ihre Gründer den Wunsch, die 1500 Offiziere und Unteroffiziere unterschiedlicher Nationalität, die in der Siedlung Hennemont zusammenlebten, zu einer wirklichen Gemeinschaft werden zu lassen. Es galt Eisenhowers Wort: „Eine Kirche, eine Schule.“
Die rechtliche Basis der Schule, deren erster Direktor René Tallard war, bestand seit 1954 in einem Abkommen zwischen SHAPE, das ein Mitspracherecht bei der Personalauswahl hatte, und der Education Nationale, die die administrative Oberaufsicht besaß. Im Jahre 1962 wurde die Schule offiziell zur Schule der NATO – dem „Lycée International“.
Die Kinder des ausländischen NATO-Personals hatten in den Fächern „Sprache und Literatur“ sowie „Geschichte und Geographie“ sechs Stunden muttersprachlichen Unterricht, der von Lehrkräften ihres Herkunftslandes erteilt wurde. Die französische Sprache sollte vorherrschende Unterrichtssprache sein. Es musste daher eine erfolgversprechende Methode gefunden werden, um den aus dem Ausland kommenden Schülerinnen und Schülern ein schnelles Erlernen der französischen Sprache zu ermöglichen. So entstand der Intensivkurs Französisch, die „Francais Spécial„-Klassen.
Noch vor dem offiziellen Beitritt der BRD zur NATO kamen 1954 die ersten deutschen Kinder und Lehrkräfte an die SHAPE-Schule. Ab 1957 wurde für die Absolventen der Deutschen Abteilung die gleichzeitige Zuerkennung von zwei Schulabschlüssen eingeführt. Auch wenn der Name sich im Laufe der Zeit verändert haben sollte, das Prinzip blieb gleich: im Rahmen des französischen Abiturs absolvieren die Schülerinnen und Schüler zusätzliche Prüfungen in Sprache und Literatur sowie Geschichte und Geographie. Diese Prüfungen werden von deutschen Lehrkräften unter dem Vorsitz eines Bevollmächtigten der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) korrigiert und bewertet. Mit dem französischen Baccalauréat wird dadurch die Allgemeine Hochschulreife erworben.
Die Veränderungen 1965 –1968
Im März 1966 verließ Frankreich die militärische Organisation der NATO und 1967 wurde SHAPE – und damit auch wesentliche Teile des Lycée International – nach Belgien verlegt. Der 1965 neu angetretene Proviseur Edgar Scherer hatte die Aufgabe, diese Veränderung der Schule – die nur noch die Hälfte ihrer Schülerinnen und Schüler und lediglich zwei Abteilungen behielt! – zu bewerkstelligen.
Er stützte sich dabei auf die Erlasse vom 30. März 1967 und vom 16. April 1968, durch die die Schule dazu verpflichtet wurde, ausländische Schülerinnen und Schüler zu empfangen sowie französische Kinder, deren Familien nach Frankreich zurückgekehrt sind oder sich wieder im Ausland aufhalten werden. Er öffnete die Schule aber auch gegenüber solchen französischen Kindern aus dem Schulbezirk von Saint-Germain-en-Laye, die eine besondere Motivation für das Erlernen von Fremdsprachen mitbrachten.
Im Zusammenhang mit der zunehmenden Internationalisierung der wirtschaftlichen Beziehungen sowie der Entwicklung eines gemeinsamen europäischen Marktes eröffnete sich eine neue Basis der Schülerrekrutierung: die Familien, deren Auslandsaufenthalt militärisch bedingt war, wurden abgelöst von Familien, die sich aus wirtschaftlichen Gründen im Ausland befanden.
Dank der gemeinsamen Anstrengung von Proviseur, Lehrkräften und Elternvereinigungen konnten die nationalen Sektionen bald wieder entstehen. Bereits im Jahre 1968 bestand die Schule wieder aus sechs nationalen Abteilungen – der deutschen, der niederländischen, der britischen, der amerikanischen, der dänischen und der italienischen – mit insgesamt 2239 Schülerinnen und Schülern, von denen fast ein Drittel ausländischer Herkunft war.
Die Entwicklung seit 1968
1971 einigen sich Franzosen, Niederländer und Deutsche darauf, die bisherigen Prüfungsstrukturen weiterzuführen. Der Abschluss nennt sich nun „Baccalauréat des Lycées Internationaux“. Im selben Jahr beginnt in der Grundschule und in der Mittelstufe der Unterricht im „Allemand Spécial“. Die Abteilung, die bis dahin hauptsächlich deutsche Schülerinnen und Schüler aufgenommen hatte, öffnete sich damit Kindern, die deutsch als Zweitsprache beherrschen und auch sehr begabten frankophonen Fremdsprachenlernern. Das Schulziel dieses inzwischen EN 2 genannten Zweiges ist das 1976 erstmals durchgeführte Deutschen Sprachdiplom auf der Niveaustufe II.
Im Laufe der Zeit wurde das Angebot an internationalem Unterricht ausgeweitet: den sechs nationalen Abteilungen von 1968 wurden acht weitere hinzugefügt: die schwedische Abteilung 1972, die portugiesische 1973, die spanische 1981, die norwegische 1984, die japanische 1993, die polnische 1998, die chinesische 2008 und die russische 2010. Die zunehmende Nachfrage nach internationalem Unterricht hat außerdem dazu geführt, dass die Sektionen auch Zweigstellen in den benachbarten Schulen einrichteten. Im Jahr 1979 begann die Zusammenarbeit der deutschen Abteilung mit dem Collège Les Hauts Grillets und 1992 die Zusammenarbeit mit der Grundschule Charles Bouvard.
Die Entwicklung seit 1985
1985 fand der erste Prüfungsdurchgang der „Option Internationale du Baccalauréat“ (OIB) statt, die weitgehend die Strukturen des „Baccalauréat des Lycées Internationaux“ beibehielt. Das OIB und die Struktur der Deutschen Abteilung wurden durch mehrer Regierungsabkommen festgeschrieben, zuletzt durch das Verwaltungsabkommen vom 22.01.2023. Im Jahr 2024 wird der erste Prüfungsdurchgang des „Baccalauréat Français International“ (BFI) stattfinden, das die OIB ablöst.
Heute koordiniert die Deutsche Abteilung am Lycée International ein wachsendes Netzwerk aus derzeit 10 Deutschen Abteilung in Frankreich und Luxemburg, die den Doppelabschluss aus französischem Baccalauréat und Deutscher Allgemeiner Hochschulreife anbieten. Die stimulierende Zusammenarbeit bei den Fortbildungen, der Weiterentwicklung des Unterrichts und der Prüfungsvorbereitung sorgt dafür, dass durch alle Veränderungen hindurch die Deutschen Abteilungen Leuchttürme der bilingualen und multikulturellen Bildung bleiben werden.
Kontakt
Lycée International
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